Warum wir gegen den geplanten Google Campus sind:
Was wir mit unserer Kampagne bezwecken:
Mit unserer Kampagne „Google ist kein guter Nachbar“ wollen wir dem Kiez um das Umspannwerk herum eine Plattform geben, um zu zeigen, dass Kreuzberg 36 gegen die Ansiedlung des Google Campus’ und gegen die Verdrängung ist, welche die Technologie-Branche vorantreibt.
Wir sind gegen die Verteuerung und exklusive Ausrichtung der Nachbarschaft auf die Bedürfnisse und Interessen der Start-Up- und Technologie-Szene. Wir setzen dem eine solidarische Stadt entgegen, die kein Geschäftsmodell ist, sondern ein Ort zum Leben für Alle.
Wir setzen dem Einfluss von Google und anderer Internet-Großkonzerne eine smarte Stadt von unten entgegen, in der städtische und persönliche Daten keine Ware sind, und in welcher Technologie dem Gemeinwohl dient.
Unsere Kampagne verbindet verschiedene Bewegungen: Die Bewegung der Nachbarschafts-Organisierung und der Antigentrifizierung mit der Bewegung der kritischen Technologie- und Programmier-Szenen, durch welche freie/freiheitliche Software und dezentrale Web-Dienstleistungen befördert werden. Wir sehen Wohnhäuser, Gewerberäume und den öffentlichen Raum als urbane Commons , also städtische Gemeingüter. Sie sind vereinbar mit den digitalen Commons, und ihre Ausweitung ist kompatibel mit einer Digitalisierung zum Wohle der Allgemeinheit.
Anlässlich der Veranstaltung "InterLause #4: WebTech-Urbanismus - Verdrängung, Proteste, Gegenerzählungen" am 09.05.2018 haben wir die erste Auflage unserer Broschüre "Keine guten Nachbarn: Google, Factory & Co." vorgestellt.
Die Veröffentlichung kritisiert Ansiedlungen von Strukturen der Tech-Industrie in Wohngebieten und informiert über drei Unternehmen, die in Berlin prominent aktiv sind - Google, Rocket Internet und Factory Berlin. Sie untersucht darüber hinaus die Problematik hinter dem WebTech-Urbanismus, die neoliberale Städtekonkurrenz um Innovation sowie das Konzept der „Smart-City“ – kurzum: eine Stadtentwicklung, die sich an den Interessen der digitalen Ökonomie ausrichtet.
Gerne stellen wir Euch hier die aktuelle Fassung zum Download zur Verfügung:
Inhalt:
Wir möchten zeigen, dass wir als Kiez zusammenstehen und uns gemeinsam gegen die Verdrängung durch Google & Co. wehren. Hierfür brauchen wir Eure Unterstützung: ladet Euch unseren Handzettel herunter oder nutzt unser Kontaktformular , und lasst euch von uns auf die Online-Karte auf der Startseite setzen.
Abgabestelle der ausgefüllten und ausgedruckten Handzettel:
Bäckerei Filou, Reichenberger Straße 86, 10999 Berlin
Helft uns, unsere Kampagne im Kiez bekannt zu machen: Ihr könnt unseren Slogan Google ist kein guter Nachbar runterladen, ausdrucken und euch ins Fenster hängen (PDF: Aushang “Google ist kein guter Nachbar“) oder auch gerne eine der anderen Vorlagen. So bringt ihr die Kampagne aus dem Netz in den öffentlichen Raum.
Rocket Internet erschließt neue Geschäftsfelder in der Immobilienwirtschaft. Ein erstes Gebäude in der Urbanstraße wurde bereits gekauft. Was heißt das für die Mieter*innen und die Nachbarschaft?
23.6.2019 , Autor*in: AKM
Rocket Internet ist einer der Big Player der Web-Tech-Branche in Berlin. Als klassischer Inkubator investiert es sein Geld in zahlreiche Start-ups, mit dem Ziel diese groß zu machen und daran zu verdienen. Als Rocket-Erfolgsmodell gilt bspw. der Online-Händler Zalando. Gegründet wurde das Unternehmen 2007 von den Samwer-Brüdern – alles andere als Sympathieträger, scheint es. In der Branche werden Rocket und die Brüder wegen geringer Innovation ihrer Neugründungen – viele von ihren geförderten Start-ups würden Geschäftsmodelle einfach nur kopieren – und vieler gescheiterter Gründungen kritisiert. Aus Sicht von Arbeiter*innen und Gewerkschaften steht das Unternehmen für Rücksichtslosigkeit oder schlechte Arbeitsbedingungen. Zudem würde Rocket dazu verhelfen, Berlin zur nächsten Start-up Metropole zu machen, wie in der Broschüre „Keine guten Nachbarn. Google, Factory & Co.“ nachgelesen werden kann. Dies treibt die sowieso schon angefeuerte Mietenspirale weiter nach oben. Der Blick ins Start-up-Mekka Silicon Valley zeigt: Selbst gut bezahlte Tech-Mitarbeiter*innen können sich die hohen Mieten nicht mehr leisten. Für Berlin kann man sich dies nicht wünschen. Die geballte Wut und das Engagement der Nachbarschaft hat zuletzt Google zu spüren bekommen. Das Unternehmen hat aufgrund von Protest schließlich seine Campus-Pläne im Kreuzberger-Umspannwerk vorerst gecancelt.
Die Samwers und die Immobilienwirtschaft
Zurück zu Rocket: Nachdem das Kerngeschäft mit der Investition in Neugründungen und dem Aufbau von Start-ups schwierig geworden zu sein scheint, will das Unternehmen nun neue Geschäftsfelder u.a. in der Immobilienwirtschaft erschließen. Dafür wurde Anfang Juni 2019 auf der Hauptversammlung der Geschäftszweck um Online-Wetten, Reisen, Finanzen und eben auch um Immobilien erweitert, berichtet das Handelsblatt. Doch was bedeutet das?
Zunächst einmal: Die Samwer-Brüder investieren ihr Geld schon länger in den Immobilienmarkt und das nicht gerade zur Freude der Mieter*innen. „Bald verdrängen die Samwer-Brüder auch dich“, betitelt Nina Scholz jüngst einen Artikel. Dabei laufen die Immobiliengeschäfte über ein komplexes Firmengeflecht, wobei nicht nur in Gewerbe- sondern auch in Wohnimmobilien investiert wird – wie zum Beispiel etwa 300 Bewohner*innen und Mieter*innen aus der Fram-, Nansen-, Pflüger- und Pannierstraße des Reuterkiezes zu berichten wissen. Im Herbst 2016 wurden große Anteile der Mietgebäude von neuen Immobilienbesitzern übernommen. „Hinter deren Firmengeflecht [verbergen] sich neben anderen auch die Samwer-Brüder (…) – Renditeorientierte Investoren, die in den Berliner Immobilienmarkt drängen“, heißt es auf ihrer Website. Die Mieter*innen haben sich seither als „Unser Block bleibt e.V.“ organisiert und kämpfen gegen Verdrängung und Mietsteigerungen. Unter anderem auch gegen Neuvermietungen von mittlerweile 15 Euro kalt pro qm. Laut Manager-Magazin gehen die Samwers bei ihrem Immobilienerwerb sehr clever vor: Offenbar kaufen sie sich in Erbengemeinschaften ein, um – zum Teil über die Erzwingung von Teilungsversteigerungen – Zugriff auf attraktive Immobilien zu bekommen. Andere bekannte Beispiele des Kaufs durch die Samwers sind das Ullsteinhaus am Teltowkanal oder die alte Paketstation an der Skalitzer Straße, wo heute Start-ups beheimatet sind und der dort ansässige Privatclub von Verdrängung bedroht ist.
Rockets Next Step
Mit der Änderung des Geschäftszwecks geht nach den Samwers nun auch das Rocket-Unternehmen in Richtung Immobilienwirtschaft. Das findet seinen Ausdruck im Kauf des Gebäudes in der Urbanstraße 67 durch die Rocket-Tochter GRC1-Germany. Die heterogene Mieter*innenschaft, die sich selbst als die „typische“ Kreuzberger Mischung beschreibt, bangt um ihre Zukunft, solange nicht klar ist, ob der Bezirk das Vorkaufsrecht ausüben kann, um das Haus zu kommunalisieren. Die Bewohner*innen wollen bleiben und haben sich organisiert. Genießen die Wohnmieter*innen noch eine gewisse rechtliche Sicherheit, kommt dies den Gewerbemieter*innen nicht zu. Sollte Rocket das Haus zum Aufbau eines Geschäftsmodells nutzen, scheint alles in der Schwebe.
Doch was hat das Unternehmen vor? Neue Räume für Start-ups? Coworking-Spaces, wie sie gerade überall in der Stadt aus dem Boden sprießen? In Berlin hat sich Verdrängung durch die Digitalwirtschaft schon für viele kleinere Gewerbe zum Problem entwickelt. Der Begriff, der auf der Hauptversammlung genannt wurde, ist PropTech. Nur was ist das?
PropTech – was ist das?
Guckt man im Internet nach, mutet es an wie der nächste (gruselige) Step in eine dystopische Verquickung von Immobilien- und Digitalwirtschaft. Laut Wikipedia bezeichnet PropTech die digitale Transformation der Immobilienwirtschaft. Die sogenannten PropTech Unternehmen gelten als neue Konkurrent*innen klassischer immobilienwirtschaftlicher Unternehmen, welche traditionelle Geschäftsmodelle und -prozesse in der Wertschöpfungskette von Immobilien mindestens verändern wollen. Auch Rocket Internet hat in den letzten Jahren immer wieder in Start-Ups aus der sogenannten PropTech Branche investiert, zum Beispiel in PropTech Hausgold. „Hausgold bringt als PropTech Unternehmen Eigentümer, die ihre Immobilie verkaufen möchten, mit Maklern zusammen. Dafür wurde ein eigener Algorithmus entwickelt, der auf Basis von Maklerdaten den passenden Makler für den Kunden finden soll.“
Sucht man nach weiteren Beispielen und Modellen, so trifft man auch auf den „Automated Landlord“ (dem automatisierten Vermieter). Laut eines Artikels der Wissenschaftlerin Desiree Fields kommt es mit dem „Automated Landlord“ zu digitalgestützten neuen Formen von Akkumulationsregimen: Nach der Finanzkrise wären vermehrt digitale Innovationen zur Anwendung gekommen, welche Kernfunktionen der Vermietung wie bspw. den Einzug der Mieten oder die Instandhaltung digitalisiert hätten, um große, geografisch weit verteilte Immobilienportfolios effizient verwalten zu können. Diese hätten den Grundstein gelegt für den „Automated Landlord“, bei dem die Verwaltung von Mieter*innen und Immobilien nicht mehr nur digital vermittelt, sondern über Smartphones, digitale Plattformen, Apps und Data Analyse auch zunehmend gesteuert würden. Was das für Mieter*innen zur Folge hat, die nicht einem „optimalen“ Profil entsprechen, mag man sich lieber nicht ausmalen.
Ebenfalls über Formen der Vermessung der Mieter*innen mit Hilfe von Big Data schreibt Günter Vornholz in der Zeitschrift für Immobilienwirtschaft und Immobilienpraxen – als Kriterium für unternehmerischen Erfolg. So gehe es zum einen darum Daten, welche die Immobilien selbst liefern – wie etwa in Bezug auf Energieverbrauch und Nutzer*innenverhalten – effizient zu erheben und in Geschäftsmodelle umzusetzen. Darüber hinaus spricht er aber auch von datengestützten immobilienwirtschaftlichen Vorhersagen. "Mit Hilfe von z.B. öffentlich zugänglichen Daten, unternehmensinternen Daten oder Daten aus dem Social-Media-Umfeld können z.B. Einstellungsänderungen von Nutzern zu Lagen frühzeitig erkannt werden." Die „gläserne“ Mieter*in scheint also auch mit Hilfe von Social-Media-Daten vermessen zu werden.
Was Vornholz in seinem Text ebenfalls beschreibt, sind Auswirkungen der Digitalisierung auf den Büroimmobilienmarkt: Dieser würde sich mit anderem Nutzungs- und Arbeitsverhalten, wie bspw. dem Coworking, verändern. „Junge Unternehmen der IT-Branche (z. B. PropTechs) bevorzugen häufig ein entsprechendes, innovatives Umfeld – etwa in originellen Objekten oder in „In“-Vierteln – aber auch in Privatwohnungen, Co-Working-Angeboten oder Business Centern. Häufig handelt es sich dabei um ehemals industriell genutzte Objekte, die nun für verschiedene Nutzungen verwendet werden können.“
Die Kieze der PropTech–Industrie - oder denen, die drin wohnen?
Was lässt das für Rückschlüsse ziehen? Die von Rocket Internet just erworbene Urbanstraße 67 kann als eine solche „hippe“ Immobilie angesehen werden. Wenn Rocket Internet also von PropTech spricht, wie ist das zu verstehen? Heißt das, dass in der Urbanstraße künftig PropTech-Start-ups sein werden und digitale Anwendungen entwickeln, die dafür sorgen, dass Mieter*innen noch besser vermessen und verdrängt werden können? Zynisch wäre es jedenfalls. Doch was auch immer kommen mag, die Mieter*innen der Urbanstraße kämpfen für ihr zu Hause.